Göttinger Arbeitskreis gegen Atomenergie

Atomausstieg rückgängig machen?

Fast täglich finden sich mit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine und der damit befürchteten Energiekrise Politiker:innen oder Publizist:innen, die eine Laufzeitverlängerung der drei verbliebenen deutschen AKWs fordern.

Die entscheidenden Fragen sind:

  • Ist es überhaupt möglich, diese AKWs in Deutschland weiter zu betreiben?
  • Und trägt das wesentlich zur Entlastung der Energiesituation in Deutschland bei?

Zur ersten Frage: die Voraussetzungen für einen Weiterbetrieb sind an keiner Stelle gegeben. Die aktuelle Brennstoffbeladung der Reaktoren ist so berechnet, dass sie zum Jahresende weitgehend abgebrannt sind. Die Beschaffung neuer Brennelemente benötigt einen Vorlauf von ca. zwei Jahren.[1]Malte Kreutzfeldt: Es bleibt eine Phantomdebatte, taz vom 2.3.2022 Nicht zu vergessen: das Natururan für die deutschen AKWs kommt vermutlich zum größten Teil aus Russland oder Kasachstan! Es macht also die deutsche Energieversorgung nicht unabhängiger von Russland.[2]Zur Abhängigkeit der europäischen Energiewirtschaft siehe z.B. diesen Artikel auf tagesschau.de.

Die Wartung der letzten AKWs ist in den letzten Jahren vernachlässigt worden, weil sie ja sowieso Ende 2022 abgeschaltet werden. So wurden etwa beim AKW Emsland im Jahr 2021 die Dampferzeugerrohre gar nicht erst inspiziert, obwohl hier bei den Inspektionen der Jahre 2019 und 2020 Lochfraß und Spannungsrisse festgestellt worden waren. [3]Reimar Paul: Alter Meiler, Rostige Rohre, taz vom 6.9.2021

Eine weitere Unklarheit: Wo sollten die Ende 2022 abgebrannten Brennelemente untergebracht werden, wo doch der Platz in den Zwischenlagern sowieso voll ist. Für ruckartige Entscheidungswechsel ist das Thema Laufzeitverlängerung wohl doch zu komplex!

Die zweite Frage, ob die drei laufenden Atomkraftwerke einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung leisten, kann man wohl verneinen. Zwar geht der bayrische Ministerpräsident Markus Söder damit hausieren, dass diese AKW die Energie für zehn Millionen Menschen liefern[4]bei Anne Will: Streit um russisches Öl und Gas – Soll Deutschland den Import sofort stoppen?, Sendung auf Das Erste vom 3.4.2022, aber tatsächlich dürfte der Beitrag sich für 2022 auf ca. 1,5% des Gesamtenergiebedarfs in Deutschland beschränken. Die Frage, ob der nächste Winter mild ist oder eher kalt ausfällt, hat eine größere Auswirkung.

References

References
1 Malte Kreutzfeldt: Es bleibt eine Phantomdebatte, taz vom 2.3.2022
2 Zur Abhängigkeit der europäischen Energiewirtschaft siehe z.B. diesen Artikel auf tagesschau.de.
3 Reimar Paul: Alter Meiler, Rostige Rohre, taz vom 6.9.2021
4 bei Anne Will: Streit um russisches Öl und Gas – Soll Deutschland den Import sofort stoppen?, Sendung auf Das Erste vom 3.4.2022
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